Die Weisheit  der Natur

Von alters her war das Wissen um die Pflanzen eine Domäne der weisen Frauen, denn die Mütter der Sippen und Stämme galten als Hüterinnen des Lebens. Die mündlichen Überlieferungen und die Erfahrungen um die Heilkräfte und den Ernährungswert der Pflanzen waren für die Gemeinschaft lebenswichtig. Hinzu kamen die natürlichen Fähigkeiten der weisen Frauen zu den Themen Schwangerschaft, Geburt und der damit verbundenen Arbeit als Hebammen. 


Dieses Wissen kam jedoch nicht aus Büchern, sondern wurde in jahrhundertelanger Tradition als lebendiger Bestandteil des Alltags weitergegeben. Früher lebten die Menschen mit den Pflanzen und Tieren in sehr enger Beziehung. Und dieses Zusammenleben fand die Vollendung im Zusammenspiel der unterschiedlichen Formen der Heilkunst, der Ernährung und gesellschaftlicher Rituale. 


Seit den ältesten Tagen der Menschheit wurden Pflanzen nicht nur als Nahrung verwendet, sondern auch, um Krankheiten zu behandeln, Schmerzen zu lindern oder Wunden zu heilen. Ohne chemische und pharmakologische Kenntnisse zu besitzen, verließen sich unsere Urahnen einzig auf ihren gut entwickelten, natürlichen Spürsinn (ihre innere Stimme, die sogenannte Intuition). Die „Apotheke in Wald und Flur‘ war über Jahrtausende die einzige, über die Kranke und Leidende verfügten. Heilpflanzen waren gleichzeitig auch „heilige Pflanzen‘, die man verehrte.


Als erste Frau trat die Äbtissin und Naturforscherin Hildegard von Bingen (1098-1179), auch die „Heilige Hildegard“ genannt, aus der Anonymität der vielen, ihr vorangegangenen, unbekannten Kräuterweiblein heraus. Eine besondere Richtung der Heilkunde begründete der geniale Arzt Samuel Hahnemann (1755-1813) mit der Homöopathie. Seine Arzneistoffe, die oft in kleinsten Mengen zur Anwendung gebracht werden, sollten nicht ein Symptom bekämpfen, sondern die Selbstheilungskräfte gegen die Krankheit mobilisieren. 

Ab dem 19. Jahrhundert sah es eine Zeitlang so aus, als ob mit der stürmischen Entwicklung der Chemie und moderner Pharmakologie die Heilkräuter mehr oder weniger bedeutungslos werden sollten. Als es gelang, organische Stoffe aus rein anorganischen Bestandteilen synthetisch herzustellen, hielt man immer mehr den Umweg über die Pflanze für überflüssig und stellte die Medikamente hauptsächlich in chemischen Laboratorien her. Zweifellos hatte die moderne Medizin große Siege zu verzeichnen: Impfstoffe brachten die gefürchteten 

Kräuterpfarrer Sebastian Kneipp

Infektionskrankheiten praktisch zum Verschwinden, Sulfonamide und Antibiotika zeitigten ungeahnte, verblüffende Erfolge. Doch die Kehrseite der Behandlungsweise zeigt sich allmählich durch bedrohliche Nebenwirkungen, welche die erwünschte Wirkung manchmal schon zu übersteigen drohen. Ganz zu schweigen von einem ständig steigenden Verbrauch in der Anwendung chemischer Präparate, der zu drastischen Kostensteigerungen im Gesundheitswesen führte.


Als „Rufer in der Wüste‘, die nur von wenigen, naturverbundenen Anhängern gehört wurden, galten die beiden Kräuterpfarrer Sebastian Kneipp (1821-1897) und Johann Künzle (1857-1945). Sie waren Mahner für eine natürliche Lebensweise und gleichzeitig eifrige Verfechter der Heilpflanzenlehre.  


Heute sind Heilpflanzen, die lange Zeit von einer chemiegläubigen Generation allenfalls milde belächelt wurden, wieder gesellschaftsfähig geworden, um nicht zu sagen: hochmodern. Allerdings dürfen von Kräutertees keine Wunder über Nacht erwartet werden. Sie müssen über einen längeren Zeitraum eingenommen werden. Dann zeigen sie ihre Wirkung, die dann auch nachhaltiger und vor allem ohne gefährliche, schädliche Nebenerscheinungen ist. 


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